Auf nach Montefiascone…
Wir treffen uns früh um 08.30 Uhr mit Stephan Ziegler in Bolsena an der Kathedrale Santa Cristina. Die Kirche öffnet erst um halb 10, aber heute ist Frühmesse und wir sind mit dabei. Ich hatte gestern bereits darauf verwiesen, dass das Ortsschild auf eine Besonderheit hinweist.
„In der Kirche der hier begrabenen heiligen Christina ist die nach ihr benannte Katakombe zu besichtigen. Blutflecken auf einem Altarstein sollen von einem Blutwunder herrühren: Ein böhmischer Priester, der an der Transsubstantion zweifelte, machte im Jahr 1263 auf einer Pilgerreise nach Rom Station in Bolsena. In der heiligen Messe brach er dort eine Hostie, aus der gemäß der Legende Blut tropfte. Daraufhin wurde in Orvieto von Papst Urban IV. das Fronleichnamsfest eingerichtet. Später wurde dort der Dom gebaut, in dem das Altartuch, das Korporale, als Reliquie aufbewahrt wird“. (aus: Wikipedia)
Noch etwas dürfte vor allem die Ergoldsbacher Leser interessieren: Die Kirche in Unterdörrnbach birgt Reliquien der heiligen Christina von Bolsena.
Nach einer kurzen Frühstückspause in einer Bar neben der Kirche starten wir auf der Via Francigena in Richtung Montefiascone. Dort wohnen viele unserer Freunde, die wir in fast 20 Jahren Chorpartnerschaft dort gewonnen haben. Darauf freuen wir uns! Es geht gleich steil bergauf, und der Weg entpuppt sich im weiteren Verlauf eher als Trampelpfad denn als Fußweg, aber wir sind ja mittlerweile einiges gewöhnt!
Teilweise wird die mühsam gewonnene Höhe leichtfertig wieder verloren durch steile Abstiege. Im Übrigen ist es heute wieder schwül, und es weht kein Wind. Aber wir haben viel Schatten. Wir treffen eine Pilgerin aus Verona, die ein Stück mit uns geht. Aber dann nimmt sie einen nicht asphaltierten Weg, wir folgen lieber der (asphaltierten) Nebenstraße. Es bieten sich zwischendurch immer wieder schöne Ausblicke.
Und am Rand wachsen süße Brombeeren. Wir ernähren uns hauptsächlich von Beeren und Wurzeln (:-))– na ja, ganz so schlimm ist es nicht, aber wir treffen auf reife Feigen, Äpfel, Birnen, Pflaumen – und auf sehr viele und leckere „more“, die Brombeeren. Die schmecken viel intensiver uns süßer als bei uns. Wäre ich nicht auf Pilgerreise, ich würde sie kübelweise ernten.
Langsam arbeiten wir uns hoch, neben Olivenbäumen gesellen sich nun auch wieder Reben dazu. Ein schöner Wasserfall tönt in der schmalen Schlucht, wir überqueren einen kleinen Gebirgsbach, an der Fontanella kommt eiskaltes Wasser heraus.
Grund, um den erhitzten Kopf, die Arme und Beine etwas abzukühlen und einige Schuck zu trinken. Dann sind wir im Gemeindegebiet von Montefiascone, wo sich auch der 100ste Kilometer der Via Francigena nach Rom befindet. Bald werden es nur noch zweistellige Zahlen sein, die unsere Kilometer nach Rom zählen.
Endlich erreichen wir das Plateau, aber von Montefiascone ist noch nichts zu sehen. Nach einer Biegung um ein Waldstück sehen wir es auf einem großen Tufffels thronen: Die große Kuppel der Kathedrale Santa Margherita und die Rocca dei Papi. Hier hatten im Mittelalter die Päpste Zuflucht gesucht, wenn sie von Rom vertrieben wurden und sich auch in Viterbo nicht sicher gefühlt hatten.
Das war noch mal ein Ansporn, die letzten fünf Kilometer anzugehen. Es wurde zunehmend heiß, aber die Vorfreude auf unsere Freunde in Montefiascone ließ uns das vergessen. Tapfer marschierten wir die Via Asinello entlang, trafen wieder auf die via Cassia, um dann ins „Centro storico“ abzubiegen, nach San Flaviano. Hier kamen praktisch alle Pilger aus dem Norden zusammen, auch wir. Von Weitem grüßte Giorgio Mezzetti schon, Angelo Giraldo war gekommen, natürlich auch Roberto Aronne und seine Frau Anna Alessandri.
Es war ein herzliches Wiedersehen, und nach der Begrüßung gab es erst einmal ein leckeres Mittagessen. Das waren wir nicht mehr gewohnt, wir haben uns mittags lediglich von Obst und Wasser ernährt, das genügte. Im Laufe der Zeit merkt man, dass man dieses hochkalorische Mittagessen nicht unbedingt braucht. Schon gar nicht nach einem Marsch in heißer Sommersonne – da braucht man nur Wasser!!!
Im Haus von Roberto und Anna lagen am Tisch Noten: Ein Duett aus der Oper „Die Krönung der Poppea“ von Claudio Monteverdi. Anna war die Poppea, ich versuchte mich am Nero. Mit Anna`s Gitarrenbegleitung war das schon gar nicht sooooo… schlecht! (:-))
Nach einem erfrischenden Bad im Bolsenasee machten wir uns auf den Weg nach San Flaviano, wo heute die erste gemeinsame Chorprobe des Corale Santa Margherita in der Coronazeit stattfand – unter entsprechenden Bedingungen. Es war ein großes Hallo, auch Donatella war mit Massimiliano und den Kindern gekommen.
Nach der Probe – es war bereits 22.30 Uhr, aber das kennen wir ja – gab Attilio Mancini noch einen kleinen Empfang und stellte uns seine neuen Weine vor. Attilio ist übrigens wieder Bürgermeister von Gradoli, das war er vor Jahren schon einmal. Erist immer noch unvermindert aktiv. Als Leiter einer Klinik in Montefiascone hatte er die ganzen Coronavorgaben umzusetzen. Wir haben viel darüber diskutiert, aber die Weine kamen nebenher nicht zu kurz.
So klang ein anstrengender, aber überaus erfüllter Tag aus. Am nächsten Tag hieß es wieder früh aufstehen, wir wollen nach Vetralla. Das sind etwa 30 Kilometer, der Wetterbericht heizt uns ein: 34 Grad im Maximum!!
Lieber Hans,
das sind ja wunderschöne Bilder und so viele bekannte Gesichter. Muchos saludos, ein herzliches Ultreia! und einen guten Endspurt! Eva
Liebe Eva,
Du warst ja selbst oft mit unserem Chor in Montefiascone. Und Du hättest auch Spaß daran gehabt, mit uns zu gehen. Es ist zwar nicht der Jakobsweg, den Du schon gegangen bist, aber auf seine Art ein einmaliger Weg, weil nicht vorgezeichnet. Vielleicht singen wir wieder mal zusammen in Montefiascone?
Herzliche Grüße
Hans