In der Maremma…

23. August 2020 2 Von Hans Fischaleck

Der heutige Sonntag sollte interessanter werden, als zunächst angenommen. Von Radicofani starteten wir am Morgen bei herrlich blauem Himmel und einem lauen Lüftchen, das uns gut tat. Wir mussten wieder die Via Cassia benutzen, die um diese Zeit allerdings praktisch leer war. Am Startpunkt lasen wir an den Kilometertafeln der Via Cassia: Noch 157 km und 100 Meter bis Rom! Das war eine Ansage.

Start unter der Burg von Radicofani – die Sonne ist hier Hauptdarsteller… (:-))
Die arabischen Zahlen bezeichnen die Kilometer nach Rom, die römischen Ziffern die Hunderter…

Heute ging es nur bergab, was rein geografisch zu verstehen ist (:-)). Wir starteten immerhin bei fast 600 m über dem Meer. Aber hier wächst noch subtropische Vegetation: Feigen, Palmen, Lorbeer. Zuvor hatten wir immer schon Schilder gesehen, die auf einen Monte Amiata hinwiesen. Wären jemand von euch auf die Idee gekommen, in die Toskana zum Skilaufen zu fahren? Wir nicht! Aber heute wurden wir eines Besseren belehrt, wie das untere Bild zeigt…

Das sind eindeutig Skifahrer, die hier auf dem Schild abgebildet sind…

Der Monte Amiata ist mit 1738 Metern einer der höchsten Berge in der Toskana, und der Schnee liegt hier bis zum Frühjahr. Der höchste Berg der Toskana ist übrigens der Monte Prado mit über 2000 Metern! Man kann also in der Toskana Skifahren, und 30 Kilometer weiter Baden!

Der Monte Amiata, mit 1738 Metern deutlich höher als der Arber….

Wir folgen der SR 2 weiter in Richtung Acquapendente, und plötzlich hupt uns ein Auto drei mal an. Der Fahrer grüßt, als würde er uns kennen. Hm, wir rätselten. Es kann sich nur um jemanden aus Montefiascone handeln, in dessen Nähe wir uns langsam begeben, der uns kennt! Da sind wir auf den Dienstag gespannt, wenn wir in Montefiascone eintreffen.

Der Verkehr nimmt zu, wir suchen nach Alternativen. Da sehen wir eine Umgehung der Via Cassia, die Via Francigena, die allerdings mit einem Anstieg verbunden ist. Das ist egal, Hauptsache weg von der Straße. Da sahen wir plötzlich ein abgezäuntes Gelände, innerhalb dessen merkwürdige Strukturen zu erkennen sind. Erst sieht es aus wie Fels, dann irgendwie wie ausgewaschene Erde. Komisch, aber wir werden das Geheimnis nicht lüften.

Eine merkwürdige Bodenbeschaffenheit, deren Ursprung wir nicht ergründen…
Von hier aus sieht man noch einmal unseren heutigen Startpunkt, diesmal von Süden: Die Burg von Radicofani

Wir hören öfter Schüsse, aber das kennen wir bereits aus Montalcino: Die Weinbergwächter verjagen derzeit die Vögel aus den Weinbergen, um die Ernte nicht zu dezimieren. Plötzlich bleibt Sepp stehen: Ich galube, das stimmt etwas nicht. Das sieht nach einer Treibjagd aus! Und richtig: Etwa 30 bis 40 Männer mit Gewehren und orangefarbenen Leibchen stehen um einen riesigen Kessel, aus dem die Schüsse kommen. Niemand warnt uns, also gehen wir die Via Francigena weiter. Dann wieder Schüsse. Die Treiber verharren still. Dann kommen wir zu einem Posten, und hier sehen wir zumindest einen Teilerfolg der Treibjagd: Ein frisch erlegtes Wildschwein.

Die Treiber stehen um den Kessel…
Vom Hauptquartier aus wird die Treibjagd geleitet – wir dürfen dabei sein…
… und hier liegt das corpus delicti…

Man sieht an diesen Bildern aber auch: Die Landschaft verändert sich. Es ist nicht mehr diese sanfte toskanische Landschaft, die Landschaft wird herber. Wir nähern uns der Maremma, der südlichen Toskana.

In Ponte a Rigo besuchen wir eine Bar, trinken einen Cafè und ich genehmige mir das erste Eis der Pilgerwanderung, ein Pistazieneis!

Die Via francigena findet sich nun wieder neben der – mittlerweile hochgestuften – SS2. Der Weg ist durchweg romantisch, und hält auch den einen oder anderen Flussdurchgang parat. Aber im Hochsommer ist das kein Problem.

Die Überquerung des Rigo – bei Niedrigwasser…

Die Maremma ist ein sehr trockenes Gebiet, Wasser ist hier Mangelware. So werden die Felder künstlich bewässert, mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln.

Eine fahrbare Bewässerungsanlage, die fast 200 Meter lang ist…

Wir gehen an Feldrainen entlang, und entdecken erneut diese „Stricknadeln“, aber nicht so schön wie beim letzten Mal. Hier haben Stachelschweine getobt.

So sehen die Stacheln von Stachelschweinen aus…

Wir sehen das Ende der heutigen Wanderstrecke: Centeno. Und da befindet sich eine Trattoria und Pizzeria, die sogar geöffnet scheint. Also lassen wir uns nieder, und trinken ein Moretti-Bier aus der Flasche. Der Vorteil gegenüber einer Halbe Bier ist, dass die Morettiflasche 0,66 L Inhalt hat.

Dann kommen drei ältere Männer (also: Älter als wir…(:-)) ) in den Freisitz und fragen uns auf italiensich, ob wir auch Wandern waren. Wir bejahen, und sie prahlen damit von Radicofani bis Acquapendente gelaufen zu sein. Das sind 27 km, das weiß ich auswendig. Also, nicht gaaaaanz schlecht. Aber viel interessanter war, dass diese drei Männer aus Montafiascone waren, der Partnerstadt von Ergoldsbach. Wir weisen in bestem italiensch darauf hin, und sie bejahen, dass sie wüssten, dass Ergoldsbach die „città gemellata“ zu Markt Ergoldsbach ist. Aber sie kennen weder Angelo Giraldi (es gibt soooo viele Giraldis), noch Roberto Aronne (wohl keine Musikliebhaber). Aber sie kennen: Giorgio Mezzetti: C`è un amico di noi! Anche di noi!!! Also, den Giorgio kennen sie wirklich alle, der uns als Tenor des Corale di Santa Margherita bestens bekannt ist. Er ist der „G´stanzlsänger des Chores. Aber er ist auch sehr tiefgründig. Von ihm stammt ein Spruch, den ich an das Ende des heutigen Tages setzen will:

„Le amici sono come le stelle: A volte ci non vedano, ma l`importante è, che esistono“.

Ich hoffe, es ist italiensich so richtig wiedergegeben. Roberto Aronne liest meinen Blog: Bitte gerne korrigieren, lieber Roberto! Grazie!!

„Mit Freunden ist es wie mit den Sternen: Manchmal sieht man sie nicht, aber es ist wichtig, dass sie existieren“.