Südlich von Siena…
Wir stellten unser Transportfahrzeug am Parcheggio Campo an der Via Mandorlo in Siena am Morgen ab. Dort sollte Lisa es später abholen und uns am Tagesziel übergeben.
In der schon starken Morgensonne gingen wir die Via Mandorlo abwärts bis zum Kreisel, dann blieb uns keine andre Wahl: Wir mussten die SR 2, die Via Cassia, in Richtung Süden nehmen. Die Via Cassia ist eine alte Römerstraße, die von den Cassiern angelegt wurde und von Rom in die Toskana führt. Mit deren Bau wurde nach 241 v. Chr. begonnen, sie ist etwa 130 km lang und deckt zeitweise die Via Frangicena („Frankenstraße“) ab, auf der Karl der Große nach Rom gereist sein soll. Eigentlich graute uns vor dieser Straße, weil wir sehr viel Verkehr vermuteten. Das war auch tatsächlich so, aber wir wurden durch sagenhafte Ausblicke nach West und nach Ost belohnt. So sahen wir den Apennin im Osten, während sich im Südwesten bereits die Monti Volsini erhoben, die man auch von Montefiascone aus sehen kann. Montefiascone ist die Partnerstadt von Ergoldsbach, und wir waren schon häufiger dort. Das Bild ist uns – von der anderen Seite her – sehr vertraut. Wir blieben unzählige Male stehen, um diesen Ausblick auf die Toskana zu genießen.
Dabei ist die Toskana viel mehr, als man von den stereotypen Bildern in Führern oder Bildbänden glauben machen will: Die Toskana ist ein Agrarland, eine Kornkammer Italiens. Nirgendwo (nicht mal in den neuen Bundesländern) habe ich Getreidefelder von diesen Ausmaßen gesehen.
Die Hügel werden auch mit Kettenfahrzeugen bewirtschaftet, weil ein normaler Traktor hier umkippt oder die Steigung nicht schafft. Wein und Oliven folgen erst in größeren Höhen. Nicht zu vergessen der Wald: Ein sehr großer Teil der Toskana ist von Wald bedeckt. Und noch etwas sehen wir: Zum ersten Mal seit unserer Abreise sehen wir auf unserer Strecke einen Wegweiser nach Rom mit Kilometerangabe: 222 km sollen es noch sein. Eine Schnapszahl. Dafür gibt es am Abend einen Limoncello nach der Pizza!!
Wir folgen der Via Cassia nach Isola d`Arbia, Ponte A Tressa, Le More und Monteroni d`Arbia. Allesamt sehr aufgeräumte und saubere Städchen, das hatten wir schon anders gesehen. Aber der Fremdenverkehr in der Toskana füllt wohl die Geldsäckel soweit, dass bei weitem nicht so viele Ruinen die Landschaft verschandeln wie in der PoEbene. Sogar ein neu angelegter Radweg hinter Monteroni ermöglicht uns, die Via Cassia zu verlassen. Das ist stressfrei! Dann kommt Lucignano d`Arbia, ein malerisches mittelalterliches Städtchen auf einem Hügel. Da gibt es sogar ein Hotel und Restaurant in antikem Gemäuer (Borgo Antico), aber für einen Aperol Spritz ist es noch zu früh! Das Schönste ist: Vom Stadttor aus kann man Siena noch einmal sehen, und auch, wie weit wir schon gegangen sind.
Wir folgen der Via Cassia noch bis Poggio della Sorbitella, dann sehen wir rechts auf dem Rücken der Hügel eine Zypressenallee. Da müssen wir hoch!
In der Mittagshitze steigen wir den Feldweg Schritt für Schritt hoch, und werden durch eine kolossale Aussicht belohnt: Im Norden Siena, im Süden die Monti Volsini – da müssen wir hin! Und noch einen Vorteil hatte die Plackerei: Wir trafen hier wieder auf die Via Francigena, die uns etwas von der Hauptstraße wegführte.
Hier treffen wir zwei Wanderinnen, die nach Bolsena wollen. Da wollen wir auch hin – und dann nach Rom. Buon camino – wir sollen uns bald wiedersehen. In Ponte d`Arbia treffen wir an der „Pilgerbar“ mit Lisa und Lukas zusammen, und bald darauf treffen auch die beiden Wanderinnen hier ein. Die „Bar H“ ist für die Pilger das, was der Stachus in München für die Autos ist…