Zwischen Verona und Mantua…

7. August 2020 0 Von Hans Fischaleck

Der heutige Tag begann, wo der gestrige aufgehört hatte – in Povegliano Veronese. Mit einem Unterschied: Wir haben heute wieder mal einen Mitpilger! Stefan, der älteste Sohn von Sepp, kam gestern Abend aus Niederbayern an. Gut gerüstet marschierten wir also heute zu Dritt Richtung Nogara, nach Südosten.

Dabei kommen wir bis auf 15 km an Mantua vorbei, einer alten Herzogsstadt, die für mich und uns Niederbayern eine ganz besondere Bedeutung hat: Die Herzöge von Landshut waren verwandt mit den Gonzagas, den Herzögen aus Mantua. Da wurden viele Geschenke ausgetauscht (die Bayern schenkten den Gonzagas u.a. schöne Pferde!), aber es gibt auch eine Sehenswürdigkeit in Landshut, die ihren Ursprung in Mantua hat: Der italienische Bau der Landshuter Residenz. Herzog Ludwig X. hatte solchen Gefallen am Rennaissancestil des Palazzo del Tè in Mantua gefunden, dass er ihn kurzerhand mit italienischen Baumeistern in Landshut nachbauen ließ.

Das nebenbei! Denn wir bogen heute in die SP 52 Richtung Nogarole di Rocca ein, um sie nach etwa 2 km nach links zu verlassen. Der Straßenverkehr war fast so schlimm wie gestern, vor allem die Lastwagen. Aber einen Vorteil hatten die Lastwagen: Sie verschafften einem wieder Luft. Der Luftzug eines Lastwagens ist Balsam für die Wandererseele, denn sonst steht die Luft, die eine hohe Luftfeuchtigkeit hat. Überall sind Wassergräben gezogen, um die Bewässerung sicherzustellen. An einem solchen Graben bewegte sich plötzlich etwas: Ein Biber! Der war gar nicht so scheu, so dass ich ihn sogar fotografieren konnte.

Der Biber schmiss sich fast in Pose, um gut herauszukommen… (:-))

Irgendwie hatten wir nicht aufgepasst, aber plötzlich befanden wir uns 1 km unterhalb der Abzweigung bei i Casotti dei Ronchi. Wie konnte das passieren? Drei Leute, und keiner findet die Straße? Das kann nur mit dem starken Verkehr zusammenhängen…

Aber wir haben sofort einen Notfallplan: Weiter die SP 52, dann nach links zu einem Weg, der eine Brücke über die Autobahn hat, dann drüben im Industriegebiet wieder nach rechts, dann sind wir wieder im Lot! Gesagt, getan! Schon bald kam die Abzweigung nach links, ein Schotterweg, mit einem renovierten, herrlichen alten Landsitz. Der Schotterweg endete an einer Absperrung: Vietato l`accesso – Betreten verboten. Das kann aber doch nicht für Pilger gelten, die eine Brücke über die Autobahn brauchen…

Wir umgingen die Baustelle, stiegen die Brücke hoch, und dann stellen wir fest: Der Bogen der Brücke wurde abgerissen (ohne unser Einverständnis!!), wir standen direkt über der Autobahn.

Da waren wir noch voller Hoffnung, dass uns der Übergang gelänge…

Auch einen Flussdurchlauf untersuchten wir, aber schwimmen wollten wir dann doch nicht. So gingen wir weiter auf der Hauptstraße fast bis Nogarole di Rocca, wo sich eine Brücke über die Autobahn befand. Aber wir waren damit noch weiter von der geplanten Tagesroute abgerückt. Das Mittagessen in Isola della Scala in einer alten Reismühle (die ich auch von einem früheren Aufenthalt mit den gestern erwähnten Kollegen Hans, Peter und Martin her kannte) war in weite Ferne gerückt. Unser neuer Weg führte die Via Crocetta entlang bis Travenzuolo, wo wir im „Sweet Cafe“ eine kleine Pause einlegten. Einige Barbesucher bewunderten unsere Leistung, weil sie – im Gegensatz zu anderen – wussten, wo Ratisbona liegt.

Travenzuolo hat im Übrigen ein hypermodernes Rathaus…

Dann ging es weiter durch die erbarmungslose Ebene – kein Wind, kein Schatten, heiß, hohe Luftfeuchtigkeit. Aber wir waren tapfer, auch Stefan! Über Nebenstraßen gelangten wir so an vielen Obstplantagen und Gemüseäckern vorbei nach Sertraglio, Capitello und schließlich nach Erbè.

Kiwis sieht man hier überall, aber auch Pfirsiche, Nektarinen und Gemüsefelder. Leider sind die Kiwis noch nicht reif… (:-((

In Erbe holt uns Franz mit dem Auto, damit wir doch noch nach Isola della Scala mit seinem Skaligerturm kommen. Und überall sind jetzt Reisfelder zu sehen, und in einer alten Reismühle machen wir Mittag.

Isola della Scala – die Stadt des Reises
Die drei Wanderer vor dem Skaligerturm…
Reisfelder, soweit das Auge reicht. Dieser rundkörnige Reis der Poebene eignet sich hervorragend für Risotto! Im September wird geerntet.
Reispflanzen aus der Nähe

Natürlich durfte ein Risotto nicht fehlen. Der Reisanbau hat in Italien eine über 500-jährige Tradition. Seit dem 15. Jahrhundert wird hier Reis angebaut. Allerdings ist der Ertrag bescheiden gegen die Konkurrenz aus Asien, allem voran China. Italien erzeugt nicht mal ein Prozent der Weltmenge an Reis.

Zurück in Erbe setzen wir unsere Wanderung fort. Da taucht plötzlich neben uns eine kleine Kirche und ein Schild auf: Chiesetta romanica Erbedello.

Diese romanische Kirche ist über 1000 Jahr alt…

Beim ersten Hinsehen fällt mir die Kirche im Val Müstair ein, die ebenso kleine Apsiden hat und aus der Zeit Karls des Großen stammt, also aus dem 9. Jahrhundert. Ich lese nach, und siehe da: Das 9. Jahrhundert stimmt, wenn auch im Fortgang des X. und XI. Jahrhunderts immer wieder Veränderungen vorgenommen wurden.

Wir gehen weiter und kommen über die Strada XXV Aprile nach Pontepersero, dann nach Sorgà, bevor wir unser Tagesziel Torre Masino erreichen.

Noch etwas fällt uns auf: Im Winter liegt hier offenbar auch mal Schnee, was angesichts der mediterranen Flora kaum vorstellbar ist. Aber es gibt durchaus Schilder, die dies bezeugen.

Vom 15. November bis 15. April muss man Schneeketten mitführen.

Wir sind im Übrigen gar nicht mehr weit weg von der Lombardei, und die Alpen verschwinden am Horizont im Norden, während sich der Apennin langsam im Süden erhebt.